1902 Bundesgericht tritt nicht auf Rekurs der Radfahrer ein

1902 Bundesgericht tritt nicht auf Rekurs der Radfahrer ein
Am 31. Mai 1902 behandelt die II. Abteilung des Bundesgerichts in Lausanne unter dem Vorsitz von Bundesrichter Bachmann den Rekurs der Radfahrervereine aus Zürich gegen den Regierungsrat des Kantons Zürich bezüglich der am 6. Februar 1902 vom Regierungsrat erlassenen Verordnung betreffend den Gebrauch von Fahrrädern und Motorwegen auf öffentlichen Strassen. Anwesend sind sechs weitere Bundesrichter, darunter auch Dr. Jäger, der am Bundesgericht auch als Instruktionsrichter fungiert. An ihn war das Schreiben des Regierungsrats vom 26. April 1902 in dieser Sache gerichtet [DOKUMENT]. Also können wir davon ausgehen, dass dem Gericht die Sicht des Regierungsrats bestens bekannt ist. Das Bundesgericht tritt nicht auf den Rekurs ein. Beantragt wird im Rekurs:
- Es seien die oben zitierte regierungsrätliche Verordnung und speziell deren Bestimmungen in Art. 14, 17, 21 und 26 als im Widerspruch mit der Bundesverfassen und der Staatsverfassung und bestehenden Gesetzen des Kantons Zürich zu erklären und es sei daher die ganze Verordnung oder eventuell deren Art. 14, 17, 21 und 26 als rechtsungültig aufzuheben.
- Es seien die Behörden des Kantons Zürich anzuhalten Gebühren, die gemäss Art. 17 * und 21 der angefochtenen Verordnung bezahlt worden sind, wieder zurückzuerstatten.
In der Rekursschrift wird beiläufig erwähnt, in der Sitzung vom 10. März 1902 des zürcherischen Kantonsrats habe Advokat Dr. Ryf eine Motion eingebracht, es sei der Regierungsrat einzuladen, seine Verordnung betreffend Gebrauch von Fahrrädern etc. zurückzuziehen. Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt in seiner Vernehmlassung, es sei der Rekurs abzuweisen. Und zwar macht er in erster Linie geltend, dass der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft sei. Er hätte vorerst der Kantonsrat angerufen werden sollen, nicht nur deshalb, weil ihm die Überwachung über die gesamte Staatsverwaltung zustehe, sondern auch deshalb, weil die Rekurrenten selbst geltend machten, dass für die regierungsrätliche Verordnung die Genehmigung des Kantonsrates erforderlich gewesen wäre. Der Regierungsrat bestätigt, dass dem Kantonsrat eine Motion betreffend Rückzug der Verordnung eingereicht sei;
in Erwägung:
- dass der vorliegende Rekurs voraussichtlich gegenstandslos wird, falls die dem Kantonsrat eingereichte Motion betreffend Rückzug der fraglichen Verordnung erheblich erklärt wird;
- dass es deshalb zweckmässig erscheint, auf den Rekurs nicht einzutreten, bis der Kantonsrat über die erwähnte Motion sich ausgesprochen hat;
- dass die Frage, ob auf den Rekurs auch deshalb nicht eingetreten werden könne, weil der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft sei, unter diesen Umständen nicht geprüft zu werden braucht;
- dass selbstverständlich den Rekurrenten das Recht gewehrt bleibt, den Rekurs wieder aufzunehmen falls derselbe infolge der Behandlung der Sache im Kantonsrat nicht gegenstandslos wird,
erkannt.
- Auf den Rekurs wird zurzeit nicht eingetreten.
- Die Rekurrenten bezahlen die Schreibgebühren und Kanzleiauslagen mit Fr. 5 und 10 Centimes.
- Dieser Entscheid ist den Rekurrenten und dem Regierungsrate des Kentens Zürich schriftlich mitzuteilen.
Lausanne den 21. März 1902.
Im Namen der II. Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
der Präsident: Bachmann
* Artikel 17 regelt, dass dem Inhaber des Fahrrads die Nummerntafel zum Selbstkostenpreis geliefert wird.
Bereits am 16. Februar 1903 wird diese Verordnung wieder aufgehoben und durch eine neue ersetzt [DOKUMENT], mit welcher sich der Kanton Zürich als einer der ersten dem Konkordat der interkantonalen Konferenz über eine einheitliche Verordnung betreffend den Motorwagen- und Fahrradverkehr vom 19. Dezember 1902 anschliesst, welches am 13. Juni 1904 vom Bundesrat genehmigt wird. Damit ist der Rekurs der Radfahrervereine aus Zürich definitiv vom Tisch.
Mehr Informationen finden Sie im Schweizer Velonummern Museum: Geschichte der Schweizer Fahrradkennzeichen