1923 Polizeidirektoren stellen sich gegen Bundesrat K

1923 Polizeidirektoren stellen sich gegen Bundesrat

 

Nach der schriftlichen Umfrage vom 5. März 1923 bei den Kantonen (siehe weiter oben), findet am 18. Mai 1923 in Schaffhausen die jährliche Polizeidirektoren-Konferenz statt [DOKUMENT]. Auch hier stehen die Vorbereitungen eines ersten Bundesgesetztes über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr im Zentrum. Das Eintrittsreferat «Die Beibehaltung des kantonalen Kontrollschildes für Fahrräder» wird von Bundesrat Heinrich Häberlin, seines Zeichens Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments EJPD, höchst persönlich gehalten. Damit macht der Bundesrat deutlich, welche Brisanz sich inzwischen rund um das Fahrradkennzeichen entwickelt hat. Um dem Auftritt noch etwas mehr Gewicht zu verleihen ist auch Heinrich Bolli, Präsident der ständerätlichen Kommission für das Automobilgesetz zugegen.

Zu Beginn stellt Häberlin die Frage, ob es überhaupt notwendig ist, Bestimmungen über Radfahrer und Fahrräder in das Gesetz aufzunehmen, denn die Radfahrer könnten, je nach Ausgestaltung des Gesetzes, für die kommende Abstimmungskampagne zu dessen Gefahr oder Hilfe werden. Deshalb möchte er die 700’000 Radfahrer der Schweiz zu Freunden des Gesetzes machen. In dieser Hinsicht muss man dem Bundesrat durchaus eine gewisse Weitsicht attestieren. Mit Blick auf die mächtigen Radfahrerverbände kann er sich ein «vorsichtiges Ausschalten der Radfahrerbestimmungen … (und damit) diese Leute in Bezug auf das Automobilgesetz zu neutralisieren» vorstellen. Allerdings sieht er dabei auch die Gefahr, dass sich die Radfahrer durch ein solches «Ausschalten» nicht ernst genommen fühlen. Aus letzterem Grund schlage man vor, einige wichtige Regelungen in das Gesetz aufzunehmen.

Häberli informiert, dass man einerseits erfahren hat, dass aus Sicht der Radfahrerverbände die Nummerierung der Kontrollschilder das grösste Problem sei. Andererseits hat die Umfrage bei den Kantonen ergeben, dass diese die Kontrollschilder beibehalten wollen. Der Bundesrat schlägt nun den gut eidgenössischen Kompromiss vor, die Kontrollschilder beizubehalten und gleichzeitig auf deren Nummerierung zu verzichten. Die Verbände seien mit dieser Lösung einverstanden. Anschliessend relativiert er den Nutzen der Nummerierung für die Polizei und erklärt, dass diese Nummer für die Radfahrerverbände inzwischen zu einer «Ehrensache» geworden sei.

Danach erklärt Häberli, weshalb es nicht angehe, die Haftpflichtversicherung den Kantonen zu überlassen und dass die Radfahrerverbände diese für ihre Mitglieder bereits obligatorisch gemacht haben. Deshalb sehe der Gesetzesentwurf ein Obligatorium vor.

Abschliessend wird, vermutlich zum ersten Mal von einem Bundesrat auf eidgenössischer Ebene, das unnummerierte Kontrollband, also die Banderole ins Spiel gebracht.

Wie sich diese Diskussion weiter entwickelt und welche einschneidenden Konsequenzen sich daraus anbahnen, erfahren Sie hier: Geschichte der Schweizer Fahrradkennzeichen