1941 Die Gewissensfrage an die Justiz- und Polizeidirektoren K
1941 Die Gewissensfrage an die Justiz- und Polizeidirektoren
Auch an der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren vom 12. und 13. September 1941 in Neuchâtel, ist das Velo und die Nummerierung der Fahrradkennzeichen wieder Thema. Dieses Treffen findet ziemlich genau ein Jahr nach dem Brief des Schweizerischen Radfahrer- und Motorfahrerbund SRB vom 20. September 1940 statt, mit welchem dieser die Einführung einer kleinen Nummerierung auf der Vorderseite des Fahrradkennzeichens vorschlägt (siehe weiter oben).
Am Ende seines ausführlichen Referats unter dem Traktandum «Fahrradverkehr» mahnt Dr. H. Rothmund, Chef der eidgenössischen Polizeiabteilung zu Disziplin und Verantwortungsbewusstsein. Er stellt den Regierungsräten der Kantone die Gewissensfrage, welche sie sich vor dem Erlassen neuer Vorschriften zur Wiedereinführung des nummerierten Kontrollschilds stellen sollten:
«Ich kann mich über die langen Ausführungen über diesen Punkt bei Ihnen damit rechtfertigen, dass wir die Frage der Wiedereinführung des nummerierten Kontrollschilds, die seit langem wie ein roter Faden durch alle Begehren und Diskussionen über die Verbesserung der Regelung des Fahrradverkehrs gegangen ist, immer wieder durchgesprochen haben.
Herr Fürsprecher Plumez, Adjunkt, dem seit Jahren die Leitung des Dienstes der Polizeiabteilung für das Verkehrswesen anvertraut ist und der alle Phasen unserer Gesetzgebung miterarbeitet und miterlebt hat, ist mit mir zur Überzeugung gekommen, dass die Einführung dieses Schildes letzten Endes lediglich den falschen Eindruck erwecken könnte, es sei eine für die ordnungsmassige Abwicklung des Verkehrs wichtige Massnahme getroffen worden, was nach den gemachten Darlegungen ja nicht zutrifft. Darf aber dem Dritteil unserer Bevölkerung eine solche ihm aus gesunder Reaktion unsympathische Polizeivorschrift aufgeschwindelt werden?
Hier stellt sich für mich ein für die ganze Polizeigesetzgebung wichtiges grundsätzliches Problem. Wir sind zu leicht geneigt, durch Erlass neuer Ordnungsvorschriften einzugreifen. Das ist zwar bis zu einem gewissen Grade populär, weil es den Anschein erweckt, die Behörden seien wach und zeigten Initiative. Auch wenn die Öffentlichkeit neue Vorschriften verlangt, müssen sich also die Behörden die Gewissensfrage stellen, ob ihnen nicht andere Mittel zur Erreichung des gewollten Zweckes zur Verfügung stehen, namentlich ob die richtige Durchführung der bestehenden nicht genügt. Solche Überlegungen drängen sich ganz besonders auf dem Gebiet der Regelung des Strassenverkehrs auf. Ich möchte sie als Gradmesser der Disziplin und des Verantwortungsbewusstseins der Behörden bezeichnen, denn es ist oft viel bequemer, neue Vorschriften zu erlassen, als in täglicher Hingabe die Mittel zur Durchführung der bestehenden zu prüfen und sie auch durchzusetzen. Der Erlass neuer Vorschriften auf einem Gebiet, auf dem die behördlichen Massnahmen zur Durchführung der bisherigen noch nicht erschöpft sind, ist also ein Einbruch in diese Disziplin und in dies Verantwortungsbewusstsein.»
Nach dem Referat des Chefs der eidgenössischen Polizeiabteilung (siehe oben) folgt das Referat von R. Plumez, Adjunkt der eidgenössischen Polizeiabteilung. Er erläutert verschiedene Artikel des Entwurfs neuer bundesrechtlichen Vorschriften über den Fahrradverkehr. Für uns von besonderem Interesse ist der vorgesehene Artikel 3:
«Nach Art. 3 gibt der Kanton als Kennzeichen für das Bestehen einer gültigen Haftpflichtversicherung sowie für bezahlte Steuern und Gebühren ein Schild oder eine Banderole ab. Diese müssen die Bezeichnung des Kantons (Wappen oder Buchstaben oder beides) sowie die Jahreszahl tragen; im Übrigen können sie eine kleine Registriernummer aufweisen. Das Kennzeichen ist am Fahrrad gut sichtbar zu befestigen.»
Hier wird indirekt ein genialer Schachzug angekündigt, den das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement EJPD in Anschluss an die Konferenz, am 27. November 1941 per Rundschreiben vollzieht.
Mehr Informationen finden Sie im Schweizer Velonummern Museum: Geschichte der Schweizer Fahrradkennzeichen