1941 EJPD Die Legalisierung der kleinen Nummerierung K

1941 EJPD ermöglicht Wendepunkt im Nummerierungs-Konflikt

 

Auch an der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren vom 12. und 13. September 1941 in Neuenburg, ist das Velo und die Nummerierung der Fahrradkennzeichen wieder Thema. In Anschluss an die Konferenz verfasst das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement EJPD am 27. November 1941 ein Rundschreiben zum Thema «Fahrradverkehr» mit Empfehlungen an die Regierungen der Kantone [DOKUMENT].

In diesem Schreiben geht es vor allem um Verkehrssicherheit, Verkehrserziehung, Durchsetzung der Vorschriften, Verkehrskontrollen und die technische Kontrolle der Fahrräder. In der Einleitung stellt das EJPD fest, dass eine Revision des Bundesgesetzes über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr MFG in nächster Zeit nicht in Aussicht steht. Das MFG sei in den meisten Punkten als abschliessend gedacht. Soweit eine solche Ausschliesslichkeit durch das MFG nicht gewollt war, sind die Kantone jedoch zum Erlass weitergehender Vorschriften zuständig.

Gleichzeitig wir jedoch klargestellt, dass eine Anpassung des Artikels 32 MFG (Ausschluss des nummerierten Kontrollschildes: Die Radfahrer sind von der Führung eines nummerierten Kontrollschildes befreit, auch wo eine obligatorische Haftpflichtversicherung besteht) ausdrücklich nicht in der Kompetenz der Kantone liegt: «Die Radfahrer können daher von den Kantonen auch auf dem Wege der Gesetzgebung nicht zur Führung eines eigentlichen Nummernschildes verhalten werden».

Hingegen präzisiert das EJPD (ab Seite 3, unten): «Sehr viele Kantone versehen die Schilder oder Banderolen, die als Kennzeichen für die Versicherung und Besteuerung abgegeben werden, mit einer kleinen Registrierungsnummer, die gewisse Dienste zu leisten vermag. Die Einführung dieser kleinen Registrierungsnummer ist daher empfehlenswert. Dagegen müsste eine auf Distanz lesbare grosse Kontrollnummer nach wie vor als Art. 32 MFG zuwiderlaufend betrachtet werden».

In der Zusammenfassung (ab Seite 5, unten) empfiehlt das EJPD den Kantonen als 4. Fahrrad-Massnahme zur Durchführung ausdrücklich: «Einführung einer kleinen Registrierungsnummer auf dem Kennzeichen für die Versicherung und Besteuerung des Fahrrads».

Um zu verstehen was uns die Botschaft aus Bern, in Bezug auf die Fahrradkennzeichen, sagen will, mussten wir das Kreisschreiben mehrmals lesen. Also fassen wir zusammen:

  • Die Formulierung, dass sehr viele Kantone ihre Fahrradkennzeichen mit einer kleinen Registrierungsnummer versehen, ist wohl der jahrelangen Verdrängung des Problems geschuldet. Denn es sind nicht sehr viele, sondern es sind ausnahmslos alle Kantone. Die ersten Kantone bringen diese Nummer bereits seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetztes 1933 an (Luzern, Nidwalden und Uri) und die aller letzten (Aargau und Zürich) nummerieren ihre Schilder seit dem 1. Januar 1941 wieder.
  • Das EJPD führt den Begriff «eigentliches Nummernschild» ein, zu dessen Führung die Radfahrer gemäss Artikel 32 MFG nicht gezwungen werden können. Daraus kann im Kontext der weiteren Ausführungen abgeleitet werden, dass ein Fahrradkennzeichen mit einer kleinen Nummerierung kein «eigentliches Nummernschild» im Sinne von Artikel 32 MFG ist.
  • Das Wichtigste in dieser unseligen Frage ist dem EJPD also, dass die grossen Nummern, wie diese vor 1933 üblich waren, nicht mehr zurück kommen. In dieser Hinsicht ist und bleibt die Haltung unmissverständlich. Allerdings ist uns auch kein einziger Kanton bekannt, der sich für eine grosse Nummerierung eingesetzt hätte.
  • Hingegen zeigt sich das EJPD auch kompromissbereit. Das Departement erkennt erstmals an, dass die Bedürfnisse der Kantone im Bereich der Fahrradkennzeichen, bei der Ausgestaltung des Gesetzes völlig ausser Acht gelassen wurden. Das Zugeständnis, dass die Registrierungsnummer «gewisse Dienste zu leisten vermag» ist zwar zaghaft aber dennoch eindeutig.
  • Trotzdem man beim EJPD also auch das Gesicht wahren will, handelt es sich hier um eine beachtenswerte Kehrtwende. Denn noch ein Jahr zuvor hat das EJPD verschiedene Kanton aufgefordert, eben diese kleine Nummerierung zu unterlassen, da diese gegen Bundesgesetz verstosse (siehe weiter oben). Nun hingegen wird die «kleine Nummerierung» als zweckmässig eingestuft und offiziell empfohlen. D.h. mit anderen Worten, dass diese kleine Nummer nun, entgegen der bisherigen Auslegung des EJPD, ohne eine Anpassung des Bundesgesetzes rechtmässig ist.
  • Die «kleine Nummerierung» wird den Kantonen in der abschliessenden Zusammenfassung nochmals ausdrücklich als Massnahme zur Durchführung empfohlen.

Nachdem das EJPD mit diesem Rundschreiben nun differenziert darstellt, wie es den Artikel 32 des Bundesgesetztes auslegt und darüber hinaus offiziell die Empfehlungen zur Einführung einer diskreten Nummerierung der Fahrradkennzeichen abgibt, stellt sich die Frage, wozu die künftigen Vorstösse zu diesem Thema, in Form von Standesinitiativen, Motionen und Postulaten noch dienen sollen. Denn die nun empfohlene Massnahme deckt sich zu 100% mit der von sämtlichen Kantonen in der Praxis bereits durchgesetzten Widerstands-Lösung.

Einerseits könnten wir die kommenden Aktionen als Nachwehen eines langen, emotionsgeladenen und kräftezehrenden Kampfes verstehen. Sie ebben 1943 ab, als eine Gesamtrevision der eidgenössischen Gesetzgebung über den Automobil- und Fahrradverkehr nach dem Krieg in Aussicht gestellt wird. Das neue Bundesgesetz über den Strassenverkehr (SVG) tritt am 1 Januar 1960, mit nummerierten Fahrradkennzeichen, in Kraft.

Andererseits könnte es jedoch auch darum gehen, dass die Meinungen bezüglich des Zwecks der Nummerierung auseinander gehen. Diesen sieht das EJPD lediglich als Kennzeichen für die Versicherung und Besteuerung. Hingegen möchten die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren damit, eher im Sinne eines Kontrollschilds, auch Diebstähle aufklären, herrenlose Velos zuordnen und Vergehen ahnden können.

Wir werden sehen, dass sich die Kantone in ihren kommenden Verordnungen trotz obiger Empfehlung des EJPD sowohl über die Nummerierung selbst, wie auch über deren Zweck ausschweigen. Vermutlich wollen sie damit einer Auseinandersetzung aus Weg gehen und einen weiteren Nummern-Konflikt vermeiden.

Mehr Informationen finden Sie im Schweizer Velonummern Museum: Geschichte der Schweizer Fahrradkennzeichen