1987 FL Velonummer mit Postleitzahl statt Velovignette
1987 FL Velonummer mit Postleitzahl statt Velovignette
Obwohl die Schweiz ein kleines Land ist, sind wir bekannt für lange politische Entscheidungsprozesse; ganz anders in Liechtenstein. Wie schon 1931 bei der Aufhebung von Fahrradsteuer und Fahrradkennzeichen zeigt uns das Fürstentum nochmals auf eindrückliche Art auf, wie man Kleinheit auch für äusserst effiziente Entscheidungsfindungen nutzen kann.
Während sich die Schweiz per 1. Januar 1989 auf den Wechsel zur Velovignette vorbereitet, geht man uns in Lichtenstein auf einem anderen Weg voraus. Die Umstellung findet dort bereits per 1. Januar 1987 statt. Die fürstliche Lösung freut vor allem auch die Sammler, denn im Gegensatz zur Schweiz bleiben unsere Nachbarn weiterhin bei den handfesten 8 x 5 cm grossen Schildern aus Aluminium. Doch statt der bisher üblichen Prägung mit den Buchstaben «FL» und dem zweistelligen Jahrgang [BILD], lässt man sich bei dieser Umstellung etwas ganz Besonderes einfallen.
In der Landtagssitzung vom 2. Mai 1985 stellt der Abgeordnete Karlheinz Oehri die Anfrage, ob man zur Förderung der Velofahrer und als Beitrag zur Umweltfreundlichkeit die Kosten für die Haftpflichtversicherung durch Land und Gemeinden übernommen werden können.
Zwei Jahre später, in der Landtagssitzung vom 27. April 1987 stellt Oehri zu seiner Anfrage fest: «In der Zwischenzeit hat sich hinsichtlich dieser Frage in unseren Gemeinden eine starke Eigendynamik entwickelt und einzelne Gemeinden übernahmen von sich aus diese Versicherungskosten für ihre Einwohner. Nach meinem Wissensstand wird das “Radtäfele”, wie es im Volksmund genannt wird, nun landesweit kostenlos abgegeben.»
Zum einen wissen wir nun, dass die Velonummern im Fürstentum «Radtäfele» genannt werden. Zum anderen erfahren wir aus der Antwort, dass die Regierung aufgrund der Anfrage an ihrer Silvester-Sitzung 1985 grundsätzlich beschlossen hat, die Situation zu überprüfen. Anschliessend wurden die Gemeinden zu einer Stellungnahme eingeladen hat. Aufgrund dieser Ergebnisse hat die Regierung weitreichende Beschlüsse gefasst. Die von Oehri vermutete Eigendynamik der Gemeinden basiert auf diesen Beschlüssen:
- Weiterhin Fahrradkennzeichen abzugeben, jedoch auf die Kontrolle der Fahrräder zu verzichten und die Versicherungspflicht beizubehalten.
- Die Gemeinden geben die Fahrradschilder aus.
- Diese Fahrradschilder tragen keine Jahreszahl mehr, sondern sind unbefristet gültig.
- Der Halter ist registriert und nicht das Fahrrad.
- Die neuen Fahrradschilder sind mit der Postleitzahl der ausgebenden Gemeinde sowie mit einer persönlichen Halternummer gekennzeichnet.
- Bei dieser Versicherung handelt es sich um eine Pauschalversicherung.
- Die Versicherungsprämie bezahlen die Gemeinden und die Regierung je zur Hälfte.
- usw.
Wann genau diese Beschlüsse gefasst wurden, geht aus dem Protokoll leider nicht hervor. Doch können wir davon ausgehen, dass die verbleibende Zeit gereicht hat, um die neu definierten Fahrradkennzeichen erstmals für das Jahr 1987 herzustellen [DOKUMENT].
Damit hat man in Liechtenstein eine Lösung gefunden, von der Velofahrer*innen in der Schweiz nur träumen können. Voll versichert, durch den Staat finanziert und keine jährliche Erneuerung und Montage der Velonummer mehr erforderlich.
Ausserdem erfindet das Fürstentum damit das in der Schweiz unbekannte «Postleitzahlen-Design», welches gegenüber der in der Schweiz per 1. Januar 1989 eingeführten selbstklebenden Velovignette deutlich mehr Stil hat. Damit findet die Schweizer Velonummer im Exil einen schönen und sympathischen Ort, an dem sie ihren wohlverdienten Lebensabend bis Ende 2011 geniessen kann.
Die entsprechende «Verordnung über Ausweise und Bewilligungen sowie Kontrollschilder und Kennzeichen im Strassenverkehr» wird dann von der Regierung am 28. Mai 1988 nachgezogen [DOKUMENT].
Mehr Informationen finden Sie im Schweizer Velonummern Museum: Geschichte der Schweizer Fahrradkennzeichen