2023 Pro Patria ehrt Velonummer als Schweizer Kulturgut

Foto: Stiftung «Pro Patria Schweizerische Bundesfeierspende» © 2023

2023 Pro Patria ehrt Velonummer als Schweizer Kulturgut

 

Am 16. Dezember 2022 wurden wir von der Agentur CP9 AG, advanced marketing solutions, aus Adliswil kontaktiert. Bei dieser Anfrage ging es um Auskünfte zu einem Projekt «1.-August-Abzeichen» im Auftrag von Pro Patria. Ob dieses Projekt, dann wirklich umgesetzt werden sollte, erfuhren wir nicht und der Kontakt verblasste in unserer Erinnerung.

Und dann, wie aus heiterem Himmel. Während wir diese Geschichte recherchieren und bereits 120 Seiten niedergeschrieben haben, stellt Pro Patria das 1.-August-Abzeichen 2023 vor. Es wird am 3. Juni 2023, im Museo Nazionale del San Gottardo auf dem Gotthardpass, von Nationalratspräsident und Pro Patria Ehrenpräsident Martin Candinas präsentiert – die Velonummer. Seit 1923 ist dies das 101. Abzeichen zum Nationalfeiertag. Wir sind ganz der Meinung von Pro Patria, wenn es ausdrücklich als «innovativ» bezeichnet wird.

Weiter schreibt Pro Patria dazu: «Das Abzeichen steht für Zugehörigkeit, Hilfsbereitschaft und Solidarität der Bevölkerung, für die Heimat Schweiz. Es wurde in Horn (TG) hergestellt und in Institutionen für Menschen mit einer Beeinträchtigung in Zürich zusammengesetzt. Die “Velonummer” ist zwar keine Schweizer Erfindung, jedoch ein Schweizer Kulturgut von 1892 bis 1988» [LINK].

Damit wird die Velonummer, 130 Jahre nach ihrer ersten Ausgabe 1893 und 34 Jahre nach ihrer Abschaffung per 1. Januar 1989, postum und offiziell zum Kulturgut erklärt.

Eine unerwartete und wirklich würdige Ehrung. Wir sind gerührt und auch ein wenig stolz, einen Beitrag zum Erhalt des neu gekürten Kulturgutes der Schweiz und zeitlich «abgestimmt» zur Dokumentation seiner Geschichte beigetragen zu haben. – Freude herrscht.

Das «Pro Patria-Design» ist eine Mischung aus zwei bereits bekannten Designs. Einerseits dem «Schweizer-Norm-Design», mit dem Kantonskürzel, welches hier gesamtschweizerisch mit dem «CH» für «Confoederatio Helvetica» ersetzt wird, im oberen Bereich, dem zweistelligen Gültigkeitsjahr im unteren Bereich sowie dem Streifen ohne Belag mit der Versicherungsnummer am unteren Rand, welche hier mit dem Schriftzug «Pro Patria» ersetzt wird [BILD]. Andererseits wurde das Schweizerkreuz den Kennzeichen des Bundes entlehnt, wie es für das Militär, die PTT, den Zoll usw. verwendet wurde [BILDER].

Zum Schluss sei noch vermerkt, dass als Sammlungszweck interessanterweise «Dialogkultur» festgelegt wurde. Dieser bezieht sich auf die ab 9. Mai 2023 gültige Pro Patria Sondermarken mit dem Sammlungszweck «Dialog zwischen den Kulturen»:

Notabene seit Beginn 1938 die erste selbstklebende Pro Patria Briefmarke, was uns irgendwie an das denkwürdige Jahr 1989 unserer eigenen Geschichte erinnert [LINK].

Im Begleittext zur Marke fordert die Post ihre Kunden auf: «Die Sprechblase im Sujet steht für eine Gesprächseinladung. Dabei spielt die Sprache keine Rolle. Einfach einen der Kleber mit typischen Ausdrücken und Redewendungen aus allen vier Sprachregionen vom Bogen nehmen und aufkleben oder die leere Sprechblase mit einer persönlichen Nachricht versehen – auch im eigenen Dialekt.» Die Idee auf einer Briefmarke, einem vom Bund verordneten Gebrauchsgegenstand, von Hand einen beliebigen Text einzufügen und diese sichtbare Botschaft durch die Schweizer Post befördern zu lassen, hätte den kreativen Initianten der Tessiner Protestaktion (1961-1975) sicherlich besonders gefallen.

Wir bezweifeln, dass Pro Patria bei der Auswahl ihres Sammlungszwecks an jene Dialogkult denkt, welche während 120 Jahren rund um unsere Velonummer entfaltet, gepflegt und teilweise gar zelebriert wurde. Diese war zweifellos interessant, ein äusserst ergiebiger Aspekt vorliegender Geschichte und auf jeden Fall typisch schweizerisch. Fragt sich, ob diese Art der Dialogkultur auch Kulturgut ist. Sicher ist jedoch, dass wir bezüglich der Qualität unserer Dialogkultur, vor allem in der Politik, auch heute wieder reichlich Luft nach oben haben.

Mehr Informationen finden Sie im Schweizer Velonummern Museum: Geschichte der Schweizer Fahrradkennzeichen