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1900 UR Verordnung betreffend das Radfahren ohne Kennzeichen
1900-1912 UR: Unklare Lage im Kanton Uri
29.05.1912
Mit seinem frühzeitigen Beitritt zum 2. Konkordat, welches der Bundesrat erst am 7. April 1914 formell genehmigen wird, beendet der Kanton Uri eine über 10-jährige Phase der Unklarheit. In Anbetracht der oben beschriebenen Probleme mit dem Kanton Schwyz und den hoffnungslosen Aussichten aufgrund der entsprechenden Stellungnahme des Bundesrats vom 14. Januar 1910 erstaunt die offensichtliche Eile, mit welcher sich Uri dem Konkordat anschliesst nicht. Bereits in seiner Beschwerde an den Bundesrat erkennt der Regierungsrat des Kantons Uri offenbar bereits selbst: «Die Beschwerdeführer erachten schliesslich als sicherstes Mittel für die Beseitigung der dermaligen Situation den Beitritt Uris zum Konkordat. Auf diese Weise würde das ganze schweizerische Gebiet den urnerischen Automobilisten geöffnet. Die Kosten der Nummernschilde erklären die Motorbesitzer sich zu bezahlen gerne bereit.»
Allerdings beschränken sich die Unklarheiten nicht auf die Auseinandersetzungen zwischen den Kantonen Uri und Schwyz jener Zeit. Andere entstehen erst im Rückspiegel der Geschichte. Möglicherweise werden diese sogar durch diesen Blick zurück erst geschaffen. Selbst lokale Historiker scheinen den Überblick, bezüglich den kantonalen Regelungen zum Verkehr zu Beginn des 20. Jahrhunderts, verloren zu haben. So ist zu unserer Überraschung in einem Artikel «Als das Auto im Kanton Uri Einzug hielt» in der Urner Zeitung vom 7. März 1920 zu lesen: «Die ersten Automobile erschienen in Uri bereits um 1900 und wurden der Fahrradverordnung unterstellt. Sie hatten somit eine Velonummer zu lösen.» Auf unsere schriftliche Anfrage vom 2.9.2023 bezüglich der Quellen, auf welchen die im Artikel gemachte Angaben beruhen, erhalten wir vom Historiker keine Rückmeldung.
Die Fakten die uns vorliegen sind die folgende:
Verordnung betreffend das Radfahren vom 10. April 1900 [DOKUMENT]
Wie der Titel sagt, scheint es in dieser Verordnung ausschliesslich um den Fahrradverkehr zu gehen. Doch der Schein trügt. Im aller letzten Artikel 12 heisst es: «Die Bestimmungen dieser Verordnung gelten, soweit sie anwendbar erscheinen, auch für die Automobilwagen und sonstigen Motor-Fuhrwerke». Soweit stimmen wir mit dem Historiker überein. Wenn wir jedoch genauer untersuchen, welche Bestimmungen auch auf Motorfahrzeuge angewendet werden könnten, finden wir Regelungen über die Beschaffenheit der Fahrräder, Verhaltens- und Verkehrsregeln, Verbote sowie Bussen. Kein Wort über Ausweise oder Fahrradkennzeichen. Deshalb ist der Schluss des Historikers «Sie hatten somit eine Velonummer zu lösen» unseres Erachtens nicht zulässig, da es keine Velonummern gab.
Vollziehungsverordnung zum Konkordat betreffend den Verkehr mit Motorfahrzeugen und Fahrrädern vom 29. Mai 1912 [DOKUMENT]
Mit dieser Verordnung werden nun die Kontrollschilder für Motorfahrzeuge und Velos eingeführt. Für die Beantwortung unserer Fragen ist jedoch Art. 9 der wichtigste: «Die Verordnung vom 10. April 1900 betreffend das Radfahren wird hiermit aufgehoben». Diese Aufzählung der aufgehobenen Bestimmungen ist abschliessend. Das heisst, es gibt seit der ersten Verordnung vom 10. April 1900 keine weiteren, mit welchen z.B. Kennzeichen für Fahrräder und / oder Motorfahrzeuge eingeführt werden.
Bestätigung durch Staatsarchiv Kanton Uri
Auch eine Recherche des Staatsarchivs des Kantons Uri bringt keine gesetzlichen Grundlagen ans Licht, welche die Situation in der Zeit zwischen den beiden Verordnungen geändert hätten. Am 1. September 2023 schreibt man uns dazu: «Jedenfalls besteht in dieser Zeit keine weitere gesetzliche Grundlage in diesem Bereich».
Protokoll Bundesrat, 4. Sitzung vom 14. Januar 1910 [DOKUMENT]
Mindestens drei Passagen aus dem Protokoll des Bundesrats vom 14. Januar 1910 beschreiben, dass es im Kanton Uri, zum Zeitpunkt der Beschwerde im Jahr 1909, keine Kennzeichen für Motorfahrzeuge oder Fahrräder gibt.
«Auf diese Weise würde das ganze schweizerische Gebiet den urnerischen Automobilisten geöffnet. Die Kosten der Nummernschilde erklären die Motorbesitzer sich zu bezahlen gerne bereit.»
«Eine Ausnahme für die urnerischen Fahrer zu machen, ist nicht möglich, und es würde die polizeiliche Aufsicht sehr erschweren, wenn wieder Wagen ohne Schild und Nummern im Kanton geduldet würden; schliesslich könnte dann jeder. Fahrer, der ohne diese Ausweise betroffen wird, erklären, er sei ein Urner, um der Bestrafung zu entgehen. Uri hat einen sehr einfachen Weg, diesen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen; es braucht nur dem Konkordate beizutreten, wie es auch vom Beschwerdeführer angeregt wird. Es kann dann nach seinem Ermessen Ausweiskarten und Nummern und Schild gratis oder ganz billig abgeben, und solche werden von den Konkordatskantonen anerkannt werden;»
…
«Da aus der Beschwerde nicht hervorgeht, dass der Kanton Uri den auf seinem Gebiet domizilierten Automobilisten Bewilligungen ausstellt, die den in vorstehender Resolution aufgestellten Bedingungen entsprechen, so erfüllt der Kanton Schwyz nur die Vorschriften des Konkordats, indem er die urnerischen Automobilisten und Radfahrer anhält, sich Schilde und Ausweiskarten von einem Konkordatskanton zu verschaffen, um das Konkordatsgebiet frei befahren zu können,»
Fazit
Nebst einer Anzahl von zuverlässigen Quellen, welche ineinandergreifen und alle auf das Fehlen von Kennzeichen hinweisen, haben wir also keinen einzigen Hinweis gefunden, dass es im Kanton Uri vor dem Beitritt zum 2. Konkordat Fahrzeug-Kennzeichen gibt. Also können wir davon ausgehen, dass die Kennzeichen im Kanton Uri für Motorfahrzeuge und Fahrräder erst im Zuge des 2. Konkordat mit Wirkung ab 29. Mai 1912 eingeführt werden.
Mehr Informationen finden Sie im Schweizer Velonummern Museum: Geschichte der Schweizer Fahrradkennzeichen