1904 Offerte und Muster Velonummern an EDI Hamberger & Lips

1904 Offerte und Muster Velonummern an das EDI Hamberger & Lips
Am 13. Juni 1904 genehmigt der Bundesrat das «Konkordat über eine einheitliche Verordnung betreffend den Motorwagen- und Fahrradverkehr» [DOKUMENT]. Es geht zurück auf die Beschlüsse der interkantonalen Konferenz vom 19. Dezember 1902 betreffend Vorschriften über den Motorwagen- und Fahrradverkehr. Dieses Konkordat ist die erste interkantonale Regelung der Schweiz, welche Bestimmungen über den Strassenverkehr erlässt. Bis dahin galten in jedem Kanton unterschiedliche Gesetze. Zum Zeitpunkt der bundesrätlichen Genehmigung sind dem Konkordat 20 Kantone beigetreten.
Bisher waren die Kantone in der Ausgestaltung und Ausgabe der Fahrzeugkennzeichen völlig autonom. Nun regelt das Konkordat für Automobile in Artikel 3 eine «Zentralstelle für die Führung eines Registers über die von den Kantonen erteilten Bewilligungen» und in Artikel 4: «Jedes Motorfahrzeug muss mit zwei Schildern versehen sein, welche die Ordnungsnummer, sowie das kantonale Wappen tragen. Diese Schilder, von gleicher Form für alle Konkordats-Kantone, werden durch die zuständige Behörde geliefert». Für Motorräder gibt es noch keine Regelungen.
Für Fahrräder schreibt Artikel 19 vor: «Jedes Fahrrad soll mit einem nummerierten Kontrollschild versehen sein. Derselbe soll ein besonderes kantonales Abzeichen tragen und ist am Hinterteil der Maschine, gut sichtbar, parallel der Lenkstange, zu befestigen». Im Gegensatz zu den Automobilen schreibt die Verordnung für Fahrräder also weder eine Registrierung noch, nebst dem kantonalen Abzeichen, keine Vereinheitlichung der Kennzeichen vor.
Nun wollen sich die Unternehmen, welche solche Kennzeichen herstellen, ihren Anteil am grösser werdenden Kuchen sichern. Dazu senden sie dem Eidgenössischen Departement des Innern EDI mehrere Offerten sowie rund zwei Dutzend Muster für die verschiedenen Fahrzeugtypen zu. Diese Offerten geben auch einen interessanten Eindruck davon, wie Geschäftskorrespondenz um 1900 ausgesehen hat. Hier ein paar Beispiele:
- 24. Juni 1904: Hamberger & Lips, Bern [DOKUMENT]; bereits mit Schreibmaschine geschrieben
- 28. Oktober 1904: Daubenmeier & Meyer, Zürich [DOKUMENT]
- 1. Dezember 1904: H. Isler, Winterthur [DOKUMENT]
Daubenmeier & Meyer hat bereits 1893 die ersten Velonummern der Schweiz für die Stadt Zürich hergestellt [BILD]. H. Isler wie auch Daubenmeier & Meyer produzieren seit 1902 für den Kanton Zürich Schilder mit Kantonswappen [BILD].
Die offen gehaltene Regelung für die Velonummern wird dazu führen, dass das von den Herstellern umworbene EDI keinerlei Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen zur Herstellung dieser Kennzeichen hat. Die Gestaltung der Velonummern ist nach wie vor Sache der Kantone. Somit müssen sich nun die Anbieter bei jedem Kanton einzeln um Aufträge bewerben, was wiederum für einen gut durchmischten Markt sorgt.
Aus Sicht der Vielfalt und der graphischen Gestaltung ist die kantonale Hoheit über die Velonummern ein absoluter Glücksfall, dank welchem die «kreative Epoche» nochmals beinahe 60 Jahre verlängert wird. Wäre die Normierung der Velonummern bereits 1904 und nicht erst 1960 in Kraft getreten, wäre vieles anders gekommen. Zwar wäre die Velonummer mit grosser Wahrscheinlichkeit trotzdem Kulturgut geworden, doch wäre damit dieses Feld auch für die Sammler bedeutend weniger interessant gewesen. Möglichweise hätte es in der Folge auch das Schweizer Velonummern Museum nie gegeben. Ob sich durch eine frühzeitige Normierung die Versenkung des ersten Strassenverkehrsgesetzes und die darauffolgenden jahrelangen Nummerierungs-Wirren hätten vermeiden lassen, darf jedoch bezweifelt werden, da die kantonale Gestaltungshoheit nicht der Stein des Anstosses war.
Nun bleibt noch die Frage, wo all diese Kennzeichen-Muster, welche die Offertsteller dem EDI zugesendet haben, abgeblieben sind. Diese Objekte wären für die Entstehungsgeschichte äusserst interessant, weshalb wir beim Bundesarchiv, nach der erfolgten Digitalisierung der entsprechenden Dokumente, nochmals ausdrücklich danach gefragt haben. Fehlanzeige; leider sind die Muster dort nicht (mehr) vorhanden.
Mehr Informationen finden Sie im Schweizer Velonummern Museum: Geschichte der Schweizer Fahrradkennzeichen